August 2025

BGH ändert Rechtsprechung zur Steuerhinterziehung: Zwei Erklärungen – zwei Taten, unklarer Vorteil

Mit Beschluss vom 30.04.2025 (1 StR 39/25) hat der 1. Strafsenat des BGH ein zentrales Element seiner bisherigen Rechtsprechung zum Konkurrenzverhältnis bei Steuererklärungen aufgegeben und die frühere Annahme einer „Bewertungseinheit“ zwischen der Feststellungserklärung (§§ 180, 181 AO) und der Einkommensteuererklärung (§ 25 EStG, § 56 EStDV) verworfen. Künftig gilt: Wer in beiden Erklärungspflichten falsche oder unterlassene Angaben macht, verwirklicht zwei eigenständige Taten der Steuerhinterziehung (§ 370 AO).


Konsequenzen für die Beratungspraxis

  • Tatmehrheit statt Tateinheit:
    Feststellungs- und Einkommensteuererklärungen sind zwei getrennte strafbare Handlungen. Das bedeutet: gesonderte Tatbestände, gesonderte Verjährung, potenziell doppelte Sanktionierung.
  • Doppelter Verjährungslauf:
    Tatbeendigung für die Feststellungserklärung tritt bereits mit Erlass des Feststellungsbescheids ein – unabhängig vom späteren Einkommensteuerbescheid. In der Beratung sollte deshalb differenziert geprüft werden, ob einzelne Taten verjährt sind.
  • Selbstanzeige mit erhöhter Komplexität:
    Selbstanzeigen müssen sicherstellen, dass beide Erklärungspflichten vollständig berichtigt werden – auch wenn sich die zugrunde liegenden Angaben überschneiden und decken können. Zu beachten ist insbesondere die Adressierung auch des für das Feststellungsverfahrens zuständigen Finanzamtes.


Erhebliches Folgeproblem: Bezifferung des Steuervorteils

Der BGH stellt ausdrücklich klar, dass der ungerechtfertigte Steuervorteil aus einer fehlerhaften Feststellungserklärung eigenständig den Taterfolg der Steuerhinterziehung begründet. Zugleich betont er: Die später tatsächlich verkürzte Steuer ist nicht als Grundlage der Strafzumessung erforderlich. Wie die Strafzumessung zu erfolgen hat und wie der ungerechtfertigt erlangte Steuervorteil zu quantifizieren ist, wenn nicht anhand der später festzusetzenden Steuer, übergeht der BGH.

Bei der Prüfung des Regelbeispiels der Steuerhinterziehung großen Ausmaßes (§ 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO), des Sperrgrunds bei der Selbstanzeige (§ 371 Abs. 2 Nr. 3 AO), bei der Zuschlagszahlung (§ 398a AO) und bei der Verjährungsfrist (§ 376 AO) ist die Bezifferung des Steuervorteils entscheidend. Solange dazu keine klaren Kriterien vorliegen, bleibt die Praxis in einem zentralen Punkt im Unklaren, was eine rechtssichere Bewertung erschwert. Bei der Vorbereitung von Selbstanzeigen und der Prüfung des erforderlichen Korrekturzeitraums ist deshalb höchste Vorsicht angezeigt.


Fazit

Der BGH revidiert seine Rechtsprechung zum Verhältnis von Feststellungserklärungen zu Einkommensteuererklärungen. Das bedeutet für die Praxis neue Risiken und vertieft den Beratungsbedarf insbesondere im Bereich der Selbstanzeige.