Oktober 2025

Beihilfe-Strafbarkeit durch „Gefälligkeitsgutachten“ im Kontext von Cum/Ex

Mit Beschluss vom 7. Juli 2025 (1 StR 484/24) hat der BGH die Revision eines wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung verurteilten Rechtsanwalts verworfen. Gegenstand des Tatvorwurfs waren Rechtsgutachten zu Cum/Ex-Geschäften, die nach Auffassung der Gerichte bewusst unvollständig und irreführend erstellt worden waren.


A. Kontext der Entscheidung

Der BGH bestätigt seine ständige Rechtsprechung zum Themenfeld der Beihilfe durch „neutrale“ bzw. „berufstypische“ Handlungen. Für die rechtsdogmatische Einordnung einer solchen Beihilfe durch berufstypische Handlungen werden seit der Jahrtausendwende mehrere Ansätze diskutiert, die von einem vollständigen Ausschluss der Beihilfe-Strafbarkeit bis zur Ablehnung einer Sonderstellung reichen. Der BGH geht davon aus, dass auch ein berufstypisches Verhalten tatförderlich wirken und eine Beihilfe darstellen kann. Einschränkungen sind aber im Rahmen einer wertenden Einzelfallbetrachtung möglich:

  • Objektiv bei fehlendem deliktischen Sinnbezug.

  • Subjektiv bei Eventualvorsatz, wenn nicht das vom Gehilfen erkannte Risiko strafbaren Verhaltens des unterstützten Haupttäters derart hoch war, dass der Gehilfe sich mit seiner Hilfeleistung die Förderung eines erkennbar tatgeneigten Täters angelegen sein ließ (vgl. initial BGH, Beschluss vom 29.09.1999 – 5 StR 729/98 und zuletzt Urteil vom 20.08.2024 – 5 StR 326/23).

  • Direkter Vorsatz hingegen führt stets zu einer Beihilfestrafbarkeit.


B. Kernaussagen der Entscheidung

Diese Grundsätze konkretisiert der BGH für von Rechtsanwälten und Steuerberatern erstellte Gutachten. Nicht jede Erstellung eines Rechtsgutachtens, das den Haupttäter in der Begehung der Haupttat bestärkt, stellt eine strafbare Beihilfe dar:

  • Die in Gutachten geäußerten Rechtsauffassungen können wegen ihres normativen Charakters nicht ohne Weiteres als richtig oder falsch bewertet werden.

  • Gutachtern steht es frei, in streitigen Rechtsfragen zu Rechtsauffassungen zu gelangen, die von einer überwiegenden oder herrschenden Meinung abweichen – soweit dies vertretbar ist.

  • Rechtsauskünfte lege artis bewegen sich innerhalb des erlaubten Risikos.

Anders liegt es nach dem BGH bei falschen (Gefälligkeits-)Gutachten und Rechtsauskünften:

  • Bei unrichtigen deskriptiven Aussagen über das Recht, etwa beim bewussten gutachterlichen Verschweigen beachtlicher Gegenauffassungen

  • Bei bewusster Zugrundelegung eines falschen oder unvollständigen Sachverhalts. Hierzu nennt der BGH konkret für Cum/Ex-Fälle das Ausblenden von Absprachen zwischen Leerverkäufern und Leerkäufern oder eine irreführende Darstellung der Funktionsweise von Wertpapiergeschäften.

Die letztgenannten Voraussetzungen sah der BGH im entschiedenen Fall als gegeben an. Hinzu kam, dass der Angeklagte nach den landgerichtlichen Feststellungen umfassende Kenntnis der tatsächlichen Abläufe verfügte und es selbst für sehr wahrscheinlich hielt und sich damit abfand, dass die Finanzverwaltung bei Kenntnis aller Hintergründe anderer Ansicht sein würde.


C. Folgen für die Praxis

  • Rechtsberatung und Gutachtenerstellung lege artis sind keine Beihilfehandlungen, auch wenn sie von der herrschenden Meinung abweichen, solange die dargelegte Rechtsauffassung vertretbar ist.

  • Strafbarkeit droht hingegen bei (bewusst) unrichtigen oder unvollständigen Gutachten.

  • Für die Verteidigung kommt es insbesondere auf den subjektiven Tatbestand an: Kannte der Beschuldigte etwaige Lücken im Sachverhalt? Wusste er um den Verwendungszweck seines Gutachtens? Wurden entgegenstehende Argumente übersehen oder übergangen?

  • Für Berater und Gutachter sind Dokumentation und Transparenz wichtig, insbesondere hinsichtlich des mandantenseitig unterbreiteten oder selbst ermittelten Sachverhalts.

  • Bei der Verteidigung von Haupttätern, die sich auf Gutachten berufen, sind diese und ihre Genese kritisch zu überprüfen.

 

D. Fazit

Der BGH führt seine gefestigte Rechtsprechung zur Beihilfe durch berufstypische Handlungen fort, konkretisiert sie im Hinblick auf „Gefälligkeitsgutachten“ im Cum/Ex-Kontext und verdeutlicht die Grenze zwischen zulässiger Beratung und strafbarer Beihilfe.